Cool Timeline
Man kann sicher darüber diskutieren, welcher Ultima-Teil den größten Einfluss auf Fantasy nahm. Schließlich erschien der erste Teil bereits 1981, ab Teil 2 lagen auf Stoff gedruckte Karten der Spielwelt in der Packung, und das zweigeteilte Ultima 7 setzte mit seiner Fantasy Open World ebenfalls einen Genre-Meilenstein. Wir haben uns dennoch für Ultima 4 entschieden, weil es die Fantasy-Spiele um etwas ganz Entscheidendes erweiterte: Moral! Eure Taten wirken sich direkt aufs Spiel aus. Um zum Avatar zu werden, müsst ihr euch in acht Tugenden beweisen. Wer umgekehrt Böses tut, bekommt das ebenfalls zu spüren. Heute fast schon ein Standardelement in Rollenspielen, damals revolutionär.
Dungeon Master wird gern als Urvater der Dungeon Crawler bezeichnet. So ganz korrekt ist das allerdings nicht. Denn schon allerersten Wizardry von 1981 konnte man Dungeons in dreidimensionaler Vektorgrafik erkunden. Ähnliches gilt für das legendäre Bard’s Tale. Warum hat es also Dungeon Master in diese Liste geschafft? Nun, es ließ uns erstmals in Echtzeit durch Dungeons crawlen! Bis dahin waren wir es noch gewohnt, dass Fantasy-Spiele immer entspannt in einen Rundenmodus umschalteten, wenn wir Monstern begegneten. In Dungeon Master konnten uns Riesenspinnen plötzlich in Echtzeit in den Rücken fallen! »Dank« dieses Spiels wurden Fantasy-Verliese gleich zwei Ligen grusliger und gefährlicher. Mindestens.
Spielerisch war Pool of Radiance kein sonderlich revolutionäres Fantasy-Spiel. Es mischte klassisches Dungeon Crawling mit rundenweisen Taktikkämpfen aus der Vogelperspektive. Und im Gegensatz zu manch anderem Vertreter auf dieser Liste ist es auch nicht sonderlich gut gealtert. Aber es hatte 1988 etwas, das alle anderen nicht hatten: die offizielle Lizenz von Advanced Dungeons & Dragons! Es war ein richtiges simuliertes Pen&Paper-Rollenspiel auf unserem PC und eröffnete uns damit einen neuen Blick auf Fantasy-Welten, die wir bis dato nur als Tabletop kannten. Fans der deutschen D&D-Alternative Das Schwarze Auge mussten sich noch ein paar Jahre gedulden, bis die Nordland-Trilogie dem Beispiel von Pool of Radiance folgte und auch Aventurien auf unseren Rechnern erlebbar machte.
Mit The Elder Scrolls: Arena begann 1994 eine Erfolgsgeschichte, wie sie Bethesda kaum kommen sehen konnte. Bis heute begeistert die Reihe Fans auf der ganzen Welt und die Wartezeit auf den sechsten Teil ist nur schwer auszuhalten. Vor 28 Jahren hat es euch zum ersten Mal auf eine Oblivion Ebene und in die einzigartige Welt von Cyrodiil verschlagen. Das dreidimensionale TES: Arena war zwar spielerisch nicht sonderlich zugänglich, die Welt war dafür mit Dungeons, Tag-Nacht-Zyklus und Jahreszeiten umso einflussreicher.
Wenn ihr an Dungeons denkt, kann Diablo nicht weit sein. Der Klassiker von 1996 war damals eine Revolution im damit aus der Taufe gehobenen Hack-&-Slay-Genre und hat Blizzard – damals noch kein Gigant der Industrie – zum Aufstieg verholfen. Als Magier, Jägerin oder Krieger habt ihr euch durch die Ebenen des düsteren Dungeons gekämpft, Skelette zerlegt und Truhen geöffnet. Damit legte Blizzard den Grundstein für eine der bis heute beliebtesten Fantasy-Reihen. Diablo 4 bekommt 2023 sogar eine Open World.
Man kann sich nun streiten, ob Final Fantasy 7 nun eher Fantasy oder Science-Fiction ist oder doch irgendwo dazwischen liegt. Fakt ist aber, dass das Spiel von 1997 so viel Einfluss ausübte, dass ihr ihn heute noch spürt. Der siebte Hauptteil der Reihe hat japanische Rollenspiele nicht nur für den Westen popularisiert, sondern auch mit hochwertigen Filmsequenzen in (damals) gestochen scharfem 3D beeindruckt. Dem Fantasy im Namen wird das Spiel mit seiner Magie und den fantastischen Gegnern auch gerecht.
Nach der Hochphase der Rollenspiele Ende der 80er Anfang der 90er wurde es eine Weile ruhig um dieses wohl typischste Fantasy-Genre. Es galt gar als ausgestorben und Echtzeit-Strategie als der neue heiße Scheiß (ja, wirklich!). Und wer weiß, vielleicht würde es heute tatsächlich keine klassischen Rollenspiele mehr geben, hätte es damals Baldur’s Gate nicht gegeben. Denn es machte RPGs endlich sexy! Es hatte wie Pool of Radiance eine offizielle AD&D-Lizenz, sah aber so hübsch aus, dass es selbst diejenigen ausprobieren wollten, denen dieser Rollenspielkram vorher zu nerdig war. Und es blies kräftig Staub von zuvor den oft langatmigen Kämpfen, indem es die pausierbare Echtzeit einführte.
Baldur’s Gate machte Fantasy-Rollenspiele wieder zum Mainstream und legte damit auch die Grundlage für weitere Fantasy-Meilensteine aus dem Hause Bioware. Exemplarisch genannt seien hier Neverwinter Nights, das uns mit seinem Editor wirklich zum Spielleiter unserer eigenen Fantasy-Welt werden ließ. Und natürlich Dragon Age: Origins, dessen harte Entscheidungen uns das Gefühl gaben, über echte Schicksale entscheiden zu müssen.
Aus spielerischer Sicht hätten es viele andere Fantasy-Spiele sicher mehr verdient, in diese Liste der Fantasy-Meilensteine aufgenommen zu werden. Aber nicht aus erzählerischer! Denn Planescape: Torment nahm einfach sämtliche Fantasy-Klischees und warf sie im hohen Bogen aus dem Fenster. Fernab von Elfen-, Zwergen- und Drachen-Abziehbildern beförderte es uns in eine Welt, für die der Begriff »Faszination Fantasy« kaum passender sein könnte. Wir erkunden Orte wie das »Bordell zur Befriedigung intellektueller Gelüste«, reden mit einer schwangeren Mauer oder haben Gefährten wie einen fliegenden Totenschädel oder einen psychopathischen Magier, der permanent in Flammen steht. Planescape: Torment bewies außerdem, dass Rollenspiele nicht kampflastig sein müssen, um unsere Fantasie anzuregen. Der Großteil der Quests lässt sich komplett gewaltfrei abschließen, die bis heute großartigen Texte lassen in unseren Köpfen eine faszinierende Welt entstehen, wie es selbst die opulenteste Grafik nicht hinbekommt.
Mit Gothic hat sich Piranha Bytes 2001 Freunde fürs Leben gemacht. Viele von euch lieben die charmante Reihe auch heute noch wegen ihren skurrilen Dialogen und der kreativen Welt. Als Gefangener müsst ihr auf der Insel Khorinis einen geheimen Brief übermitteln und euch in verschiedenen Lagern hocharbeiten. Das Lagersystem und die offene, dynamische Spielwelt haben den Grundstein gelegt für spätere Open-World-Spiele, auch über das Fantasy-Genre hinaus. Das Sumpfkraut, die Buddlerhose und Sprüche wie »Was denkst du denn, was ich hier mache? Mir die Eier schaukeln?« sind zum absoluten Kult geworden.
Jeder von euch wird World of Warcraft beziehungsweise das vorgelagerte Strategiespiel Warcraft kennen, schließlich ist es eine der populärsten Spieleserien aller Zeiten. Und selbst heute, 18 Jahre nach Veröffentlichung des MMOs, begeistert WoW noch Millionen Spieler. In der mal bunten, mal dunklen Welt von Azeroth tritt die Horde gegen die Allianz an, ihr könnt als Untoter, Zwerg, Mensch, Goblin, Elf oder als ein anderes Volk spielen, Gilden beitreten und euch organisieren. Mit seinen konstanten Erweiterungen hat World of Warcraft nicht nur zahlreiche andere Multiplayer-Online-Rollenspiel beeinflusst, sondern auch Maßstäbe für die Vielfältigkeit von Fantasy-Welten gesetzt.
Das Entwicklerstudio Team Ico hat bis dato nur drei Spiele hervorgebracht, doch jedes davon ist ein Klassiker für sich. Der wohl größte erschien 2005 exklusiv für PlayStation 2. Shadow of the Colossus? Schon mal gehört, nicht wahr? Als Charakter Wander wollt ihr ein mysteriöses Mädchen wiederbeleben, wofür ihr 16 Kolosse erlegen müsst. Mit eurem Pferd lernt ihr eine Fantasy-Welt kennen, die so mystisch wie leer ist. Dass ihr euch dadurch gleichermaßen verloren und doch zur Entdeckung motiviert fühlt, hat viele Spiele beeinflusst, von Elden Ring über The Legend of Zelda: Breath of the Wild bis hin zu kleinen Spielen wie Titan Souls. Shadow of the Colossus wirft einen langen Schatten.
2011 stellte Bandai Namco mit Dark Souls vieles auf den Kopf. Nicht nur der konsequent unerbittliche Schwierigkeitsgrad, auch das langsame Öffnen der Spielwelt sorgten für Aufsehen; mehr noch als der unter dem Radar fliegende Vorgänger Demon Souls. In der unfreundlichen Welt Lordran starben Spieler unzählige Male, belohnte sie auch mit seltenem Loot. Die Mischung aus anspruchsvollen Gegnern, Belohnungen und einer bedrohlichen Fantasy-Welt haben nicht nur mehrere Nachfolger nach sich gezogen, es ließen sich auch andere Entwickler von der virtuellen Verzweiflung inspirieren. Das »Soulslike«-Genre war geboren – sein Erfolg hält bis heute an.
Im selben Jahr wie Dark Souls eroberte auch The Elder Scrolls 5: Skyrim eure Herzen. Inzwischen ist das Spiel gefühlt für jede nur erdenkliche Konsole rausgekommen – nur für den Gameboy (noch) nicht. Habt ihr euch zwischen Elfen, Orks, Khajits oder Bretonen für eine Rasse entschieden, reist ihr fortan durch Himmelsrand, sammelt Drachenknochen und Nirnwurz und kämpft im Schnee gegen Skelette, Banditen oder Goblins. Elf Jahre später ist diese Welt atmosphärisch immer noch unheimlich dicht und beeindruckt euch mit den Drachen und unterschiedlichen Völkern. Kaum ein anderes Spiel schafft es nach über einem Jahrzehnt noch immer so viele Spieler zu begeistern.
Den Stellenwert von The Witcher 3: Wild Hunt kann man gar nicht genug betonen. 2015 hat uns der dritte Teil um Geralt von Riva wieder nach Novigrad, Skellige und Velen entführt. Dabei ist die Spielwelt so vielseitig wie nur wenige. Die Gebiete unterscheiden sich grundlegend in ihrer Optik und den Kulturen und die Quests sind so tiefgründig, dass der Spieler bei nahezu jeder Aufgabe überrascht wird. Noch dazu sind die Abenteuer des Hexers so abwechslungsreich, dass euch beim Durchstreifen der malerischen Landschaft definitiv nicht langweilig wird. Mit euren Hexer-Zeichen, zwei Schwertern und speziellen Tränken könnt ihr euch gegen Harpyien, Wyvern, Fehlgeborene und Djinns zur Wehr setzen – ein Design fantasievoller als das andere. The Witcher 3: Wild Hunt wirkt wie ein Best-of des Fantasy-Genres.